Fakten statt Gehässigkeiten zur SBI

Mt.

Prominente Befürworter und Gegner der Selbstbestimmungsinitiative debattieren am Gymnasium Münchenstein.

Der öffentliche Meinungskampf rund um die am 25. November anstehende Abstimmung über die SVP-Initiative "Schweizer Recht statt fremde Richter" (Selbstbestimmungsinitiative, SBI) wird ungewöhnlich laut und hart, zuweilen aggressiv geführt – Befürworter wie Gegner bezichtigen sich gar gegenseitig, "Fake News" zu verbreiten. Um den politischen Pulverdampf zu verlüften und stattdessen sachlich und faktenbasiert über das Für und Wider der Initiative zu diskutieren, trafen sich am Donnerstagnachmittag, 15. November, auf Einladung der Fachschaft Geschichte prominente Befürworter und Gegner der SBI auf dem Politpodium in der Aula des Gymnasiums Münchenstein: auf Seiten der Befürworter Johannes Sutter, Vizepräsident der Baselbieter SVP, und Roman Oberli, SVP-Einwohnerrat aus BinningenPodium SBI 2018 03 (als Stellvertreter der krankheitsbedingt verhinderten SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger), auf Seiten der Gegner Claude Janiak (SP), der (einzige) Ständerat des Kantons Baselland, und Samira Marti, Vizepräsidentin der Baselbieter SP sowie designierte Nationalrätin (als Erstnachrückende für Susanne Leutenegger Oberholzer).

Die Ahnung, dass den Befürwortern der Initiative die Aussenseiterrolle in der mit rund 180 Schülerinnen und Schülern der 3. und 4. Klassen besetzten Aula zufallen dürfte, verdichtete sich gleich zu Beginn der Veranstaltung mittels Handy-Umfrage zur Gewissheit: 136 der Anwesenden sprachen sich gegen die Initiative aus, nur gerade 7 dafür; 29 konnten oder wollten sich noch nicht festlegen. Unter der Leitung von Geschichtslehrer Fabio Bianchi hatten die Podiumsteilnehmer nun 90 Minuten Zeit, ihren Rückstand aufzuholen beziehungsweise ihren Vorsprung auszubauen.

Von einzelnen Sticheleien abgesehen, verlief die Debatte wie erhofft sachlich und faktenbezogen – und zeigte, dass sich Befürworter und Gegner gar nicht so unversöhnlich gegenüberstehen, wie TV-Debatten und Werbekampagnen gegenwärtig suggerieren. Während Johannes Sutter etwa betonte, dass der Initiativtext lediglich explizit festhalte, was ohnehin klar sein sollte, nämlich dass die Bundesverfassung – und nicht internationale Verträge – die oberste Rechtsnorm in der Schweiz darstelle und somit Verträge, welche der Bundesverfassung widersprächen, schon heute gar nicht unterzeichnet werden dürften, verwehrte sich Samira Marti gegen diesen "Automatismus" und betonte, dass der Entscheid, ob nun die Bundesverfassung oder das Völkerrecht Vorrang haben soll, besser von Fall zu Fall neu beurteilt werden sollte – auch via Referendum und Initiative. Janiak sekundierte, dass sich das Problem sowieso nur deswegen stelle, weil es in der Schweiz keine Gesetzes-, sondern nur eine Verfassungsinitiative gebe, weshalb inzwischen, nicht zuletzt wegen diversen erfolgreichen SVP-Initiativen, "ein halbes Strafgesetzbuch" in der Verfassung stehe. Ausserdem müsse, so Janiak, die Gewaltentrennung respektiert werden; das Volk sei in der Schweiz nur ein Teil der drei Gewalten – und nicht etwa alle drei.

Gretchenfrage "Menschenrechte"

Auf die Frage der Menschenrechte angesprochen – die Initiative wird von Gegnern oft als "Anti-Menschenrechts-Initiative" bezeichnet –, beklagten Sutter und Oberli die "abenteuerliche Nein-Kampagne" und bekräftigten, dass die Schweizer Bundesverfassung die Menschenrechte mindestens ebenso gut schütze wie völkerrechtliche Verträge. Zudem würde aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) heute allerlei Fragwürdiges abgeleitet, wie etwa eine Kostenübernahme für Geschlechtsumwandlungen im Rahmen der obligatorischen Grundversicherung; auch die "No Billag"-Initiative sei von Gegnern als nicht menschenrechtskonform bezeichnet worden, erinnerte Roman Oberli – und fragte rhetorischPodium SBI 2018 05: "Gibt es tatsächlich ein Menschenrecht darauf, 'Glanz und Gloria' schauen zu können?" Samira Marti rückte die Menschenrechte dagegen als wichtiges Element gegen "weisse alte Männer mit faschistoiden Ideen, die die Welt beherrschen wollen" ins Zentrum.

Zum Schluss der Debatte waren die Podiumsteilnehmer durch zahlreiche Fragen der Schülerinnen und Schüler gefordert – inhaltliche Verständnisfragen waren ebenso dabei wie provokant formulierte Statements… und auch die Grundsatzfrage, ob dieses Thema denn tatsächlich so wichtig für den Alltag in der Schweiz und Europa sei, kam aufs Parkett: Während Janiak und Marti durchblicken liessen, dass sie tatsächlich lieber über Anderes diskutieren möchten (und Janiak stichelte, dass das Bundesparlament in den letzten Jahren viele wichtige Fragen nicht hätte lösen können, weil man viel Zeit mit der Umsetzung von SVP-Initiativen verschwendet hätte), betonten Sutter und Oberli, dass die von der Initiative gestellte Frage zentral für die Rechtssicherheit von Abstimmungen in der Schweiz und damit für das Vertrauen in die Demokratie sei.

Und wer ging nun als Sieger vom Podium? Die Schlussabstimmung, wiederum via Handy, hielt durchaus eine Überraschung bereit: Während der Anteil der Gegner der Initiative mit 140 Personen in etwa konstant blieb, hat sich das Lager der Befürworter der SBI im Laufe der Diskussion mehr als verdreifacht und lag nun bei 23 Personen; nach wie vor unentschieden waren lediglich 5 Personen. Egal, wie man zur Initiative steht, hat das Podium vor allem eines gezeigt: Eine respektvolle Diskussion mit sachlicher, fairer Abwägung unterschiedlicher Argumente ist nach wie vor das beste Instrument zur politischen Meinungsbildung – und nicht schrille Plakate, gehässige Anfeindungen und "Fake News" in den sozialen Medien.

Gymnasium Münchenstein